WEIT WEG MIT WELTWÄRTS

Für Interessierte, Freunde, Unterstützer, Bekannte, Verwandte. Eine Plattform, um meine Erlebnisse hier in Lima, Peru festzuhalten. Zum Bilder angucken, Berichte lesen, sich auf dem Laufenden halten. In der Hoffnung, euch Sorgen zu nehmen und bei Gelegenheit ein Lächeln zu schenken, euch miterleben zu lassen, was ich hier erleben darf. Viel Spaß.

Das Schulsystem Perus und die Zukunftsperspektiven der peruanischen Jugendlichen

Motivation

Das Schulsystem in Peru schien besonders interessant für mich, da ich hier in Peru selbst ein ganzes Jahr in einer (Waldorf-)Schule arbeite und ich natürlicherweise an der Struktur des Schulwesens und den Lernvoraussetzungen der Kinder und Jugendlichen interessiert war, vor allem aber wodurch sich der anthroposophische Ansatz von den anderen Schulen in Peru unterscheidet. Ich wollte die Probleme des Bildungswesens erfassen, nicht zuletzt um auch zu verstehen, warum die Eltern „meiner“ Schüler sich für die Waldorfschule entschieden haben.

Überblick

Bevor ich anfing zu recherchieren, habe ich bei einer Autofahrt in die Runde gefragt, wie die Anwesenden sich das peruanische Schulsystem vorstellen. Relativ schnell war als Konsens herauszuhören, dass es wahrscheinlich ein marodes staatliches Bildungswesen und ein ausgeprägtes Privatschulnetz für die privilegierten Kinder gibt. Dieses – wenn man die im Grundgesetz verankerte Klausel des Rechts auf gleiche Bildung betrachtet – etwas kontroverse System ist kein Einzelfall und vor allem in ganz Südamerika ein großes Problem. Die stark verbreitete Armut, mangelnde Struktur und unterbezahlte, völlig überforderte Lehrer, die häufig noch schlecht ausgebildet sind, sind Gründe für eine sich immer stärker ausprägende Diskrepanz zwischen Arm und Reich, da die Armen die schlecht organisierten staatlichen Schulen besuchen und die Wohlhabenden alles daran setzen, ihre Kinder auf privaten Schulen unterzubringen. Der Staat erfüllt seine durchs Gesetz gegebene Aufgabe also mehr schlecht als recht, was den Ausbau des Privatschulnetzes nur noch mehr angekurbelt hat. Die angestrebten Reformen im letzten Jahrzehnt kamen schlussendlich nur denen zugute, die auf die Hilfe gar nicht angewiesen waren: den gut ausgerüsteten Privatschulen. Des weiteren fällt bei der Betrachtung der Schulen, ihrer Ausstattung und den Lernerfolgen der Schüler eine enorme Kluft zwischen ländlichen und städtischen Gebieten auf, was den Strom in die Städte mit der Hoffnung auf ein „besseres Leben“ unterstützt – in Lima, der Hautstadt Perus leben mittlerweile 8,2 Mio. Menschen, ein Drittel aller Einwohner Perus.

Lebensverhältnisse und Probleme

Die erwähnten Unterschiede zwischen Stadt und Land spiegeln sich auch in Statistiken wider, die die Effektivität und Klasse von Schulen dokumentieren. Augenfällig ist hier zudem noch, dass die Jungen gegenüber den Mädchen auf schulischer Ebene bevorzugt werden, sie also durchschnittlich eine längere Schulausbildung bekommen und somit auch bessere Voraussetzungen für die Zukunft haben. Außerdem werden in Europa im Durchschnitt 1500 Schulstunden pro Jahr erteilt, in Peru liegt die Vorschrift zwar bei immerhin 1000 Stunden, aber tatsächlich erteilt werden im Schnitt nur 450 in der Stadt und etwa 226 auf dem Land.

Ein Beispiel: Die durchschnittliche Schulverweildauer

Region

insgesamt

Geschlecht

Männlich

weiblich

Peru insgesamt

7,4

7,9

6,9

städtischer Ber.

8,7

9,2

8,3

ländlicher Ber.

4,4

5,1

3,7

Quelle: INEI – Encuesta Nacional de Hogares, 1997 – IV Trimestre

Da mittlerweile 72% der Peruaner in Städten leben, wird sich das Gesicht dieser Tabelle vermutlich in Zukunft noch dahingehend verstärken, dass Stadt und Land sich immer mehr voneinander entfernen – da auch bei den Reformen dort angefangen wird, wo die meisten Menschen leben: in der Stadt.

Ebenfalls entscheidend für das Profil dieser Tabelle ist die enorme Armut, die 50% der Peruaner unmittelbar betrifft (die Hälfte der Peruaner leben unterhalb der Armutsgrenze). Auch wenn das Staatsschulwesen prinzipiell kostenlos ist, müssen Schulbücher und Einschreibegebühren entrichtet werden, was bedeutet, dass die Ärmsten entweder gar nicht (15% der Kinder – zum Vergleich: in den Industrienationen sind es 2%) oder nur unter fatalsten Bedingungen die Schule besuchen können, zudem arbeiten müssen und somit wenig Zeit für die Schule haben.

Das System

Die Schulen

Grundsätzlich ist die Schullaufbahn eines Kindes zweigeteilt. Es gibt einen sechsjährigen grundschulähnlichen Teil, Primaria genannt, und einen fünfjährigen zweiten Teil, Secundaria genannt. Ein Projekt der Regierung, einen abiturähnlichen Abschluss („Bachillerato“) einzuführen, der sich an die Sekundärschule anschließt, wurde schon in Angriff genommen, allerdings war unklar, ob es kostenlos angeboten wird (angeboten werden kann), was wiederum die Chancen für die ärmeren Schüler gleich null setzen würde (den aktuellen Stand habe ich nicht herausfinden können).

Wie bereits erwähnt, gibt es eine enorme Diskrepanz zwischen staatlichen und privaten Schulen, die diesbezügliche Wahl ist absolut ausschlaggebend für die Chancen und die Aussichten des Kindes. Rund ein Viertel der Schulen ist in privaten Händen, die Tendenz ist steigend.

Die Lehrer

Ein Lehrer unterrichtet durchschnittlich 27 Schüler (in der Sekundarschule sind es 18), es ist jedoch auch keine Seltenheit, dass nur ein Lehrer für alle sechs Klassen der Grundschule zuständig ist. Die Schulen in der Stadt sind zu zwei Dritteln erstaunlich gut ausgestattet, im Departement Ayacucho, einer ländlichen und sehr armen Gegend ist es nur ein Sechstel. Die Ausbildungssituation jedoch ist katastrophal, 1990 hatten nur die Hälfte haben eine entsprechende fachliche Ausbildung, während es 1970 noch 70% waren. Das Gehalt der Lehrer (ca. 400 Soles) ermöglicht ihnen lediglich ein Leben an der Armutsgrenze, es liegt nur minimal über dem Mindestlohn.

Die Schüler

Auch die Zahlen der Schulkinder sind erschreckend: Mit 15% der schulpflichtigen Kinder gingen im Jahr 1999 sogar für südamerikanische Verhältnisse überdurchschnittlich viele Schüler nicht zum Unterricht (das sind 50% mehr als der südamerikanische Durchschnitt). Um die Familie unterstützen und Schulmaterialien bezahlen zu können arbeiten rund ein Drittel der Schüler parallel zur Schule, unter ihnen ist auch die Abbruchrate enorm hoch (47% der arbeitenden Schüler brechen die Schule ab, nur 8% der nicht arbeitenden). Da man ab dem 13.Lebensjahr gesetzlich zum Arbeiten legitimiert ist, nehmen viele Eltern die Kinder wieder von der Schule, um sie als arbeitende Unterstützung in der Familie einzubinden; hinzu kommt, dass ein Fünftel der 11 Mio. Schüler ausschließlich eine der 45 Inkasprachen beherrscht, was zu einem völligen Unverständnis der im Unterricht behandelten Themen führen und berechtigte Zweifel aufkommen lassen kann, ob die schulische Ausbildung für das Kind sinnvoll ist.

Die Regierung

Die von staatlicher Seite investierten Gelder gingen bis ins letzte Jahrzehnt stetig zurück oder wurden beibehalten, so lag die Prokopf-Investition für die Schüler im Jahr 1991 lediglich bei einem Viertel der in der Achtziger Jahren verwendeten Gelder. Vor allem an Lehrergehältern und –ausbildungen wurde gespart.

Die Reformen

Mit dem RENACE Programm, das Mitte der Neunziger Jahre ins Leben gerufen wurde, wollten die Behörden die Schulen vernetzen und ihnen und den Schülern einen permanenten Internetzugang ermöglichen. Das Programm beinhaltete drei wesentliche Punkte:

1.Einrichtung eines Informations- und Kommunikationssystems, welchen es allen zum Schulsystem dazugehörigen ermöglichen soll, die neuen Medien nutzen zu können und Informationen über das Red Cientifica Peruana zu erhalten.

2.Aufbau eines Systems, dass auf nationaler Ebene allen ermöglicht Erfahrungen im Ausbildungs- und Erziehungsbereich und Bewertungen austauschen zu können.

3.Das Medium Internet soll dazu genutzt werden, dass sich Lehrer durch Informationsaustausch nicht nur national, sondern auch international weiterbilden können. Dies soll durch e-mails und Teilnahme an Diskussionslisten über Erziehungsfragen erreicht werden.

24 Schulen sollten an diesem Pilotprojekt teilnehmen, nur sieben wurden letztendlich unterstützt. Dass diese Schulen bereits bestens ausgestattet waren, dass sie gar nicht auf die Finanzspritze angewiesen waren, die mit der „Reform“ einherging, lässt die Initiative noch unglaubwürdiger erscheinen, als sie ohnehin schon war.

An das RENACE Programm anknüpfend folgte 1998 nun das Projekt EDURED. Dieses Programm beinhaltete das Ziel, im Jahr 1999 sechzig Schulzentren aus Lima und den Provinzen ans Netz anzuschließen, weitere 1800 Lehrer fortzubilden sowie die schon ausgebildeten 3600 Lehrkräfte in ihrem Wissen auf dem neuesten Stand zu halten. Letztendlich sollten 240000 Schüler in die Projekte integriert werden.

Ein weiteres, nicht so weitreichendes Programm trug den Namen „Vaso de Leche“, das allen Kinder bis zum 6. Lebensjahr ein tägliches Glas Milch in der Schule versprach.

Mit dem zweiten Amtsantritt des Präsidenten Alan Garcia sollten auch weitere Initiativen folgen, da eines seiner Wahlversprechen der Kampf gegen den Analphabetismus war. Da die Oppositionspartei jedoch stärkste Kraft im Parlament ist, gestaltet sich die Umsetzung von Reformwünschen sehr schwierig.

Die Rolle der Waldorfschule

Die beschriebenen Probleme zeichnen nicht das im Grundgesetz enworfene Bild einer Chancengleichheit im Bildungssektor. Die ohnehin schon privilegierten Wohlhabenden werden in eine vorteilhafte Position versetzt, des weiteren werden die männlichen Schüler den weiblichen vorgezogen.

Dieser Ansatz ist Grundlage im Konzept der Waldorfschule (in meinem Fall die Cieneguilla Waldorf School), ihr primäres Ziel liegt in der Chancengleichheit und der Möglichkeit für jeden unabhängig von Hautfarbe, Religion oder Herkunft sein Potenzial zu entfalten:

El acceso a estas escuelas es libre, pues se admite cualquier tipo de niño, sea cual fuere su origen cultural, social, económico o religioso.

(Auszug von der Website der Cieneuilla Waldorf School: http://www.waldorfcieneguilla.com/)

Das ist der Grund, warum ich mich für dieses Thema und die Stelle in Peru entschieden habe.

Quellen (leider teilweise nicht mehr ganz aktuell, da es kaum aktuelle Quellen gibt):

http://www.daad.de/portrait/de/1.7_inhalt.html?landid=59&id=5&lang=de

http://www.home.uni-osnabrueck.de/uafemann/Internet_Und_Dritte_Welt/TUDresden/Dresden-Peru.html

http://www.oei.es/pdfs/Peru_datos2006.pdf

http://www.oei.es/quipu/peru/index.html

http://luki-peru.blogspot.com/2007/09/schulsystem-lol.html

3 Kommentare»

  Alina wrote @

hier wäre es interessant zu wissen, wieviele Reiche gibt es in Peru, womit verdienen sie ihr Geld, wie werden sie besteuert vom Staat und was sagen sie zur Diskrpanz von Stadt und Land, worin sehen sie die Hauptaufgabe des Staates…
klar kannst du das jetzt auch nicht herausfinden, nur dachte ich das beim Lesen… du willst nicht Schriftsteller werden?

  Johnk176 wrote @

I think you have remarked some very interesting points , appreciate it for the post. ekcffckdkgac

  Theda wrote @

it will not totally remove the plugin….


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